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Strom der Zeit


VW Abt E

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Sie können sich bei Autoveredler Abt Ihren VW T6.1 kräftig auf 166 kW (226 PS) aufpusten lassen. Dazu mit ein paar feschen markentypischen Verzierungen schminken und schmücken, fertig ist der VW für Extrovertierte. Oder Sie wechseln von Abt Sportsline zur grünen Abteilung Abt E-Line. Dort geht’s schon äußerlich deutlich schlichter zu. Und dort wurzelt der Abt E-Transporter T6.1, anzutreffen beim VW-Händler für die eher Introvertierten Fahrer. Eine interessante Kombination: Abt entwickelt, VW liefert den Trans-porter an Chassis-Spezialist Alko, dort wird er ausgebeint und umgebaut, der Motor geht zurück für den nächsten Transporter. Der VW-Händler verkauft den elektrifizierten VW wie einen Trans-porter mit Aufbau im Zweirechnungsmodell, wickelt aber auch den Service ab und ist alleiniger Ansprechpartner.


Auf der Straße fährt sich der E-Transporter wie ein Auto aus einer Hand. Er nimmt zügig aber nicht überhastet Fahrt auf, gleitet elegant dahin. Wer die volle Leistung von 83 kW und alle 200 Nm Drehmoment benötigt, tritt feste aufs Fahrpedal und nutzt den Kickdown. Bis zu dieser Schwelle gibt es maximal 75 Prozent Leistung, das hilft Strom zu spa-ren. Je nach Voreinstellung ist dann bei 90 Sachen Schluss oder erst bei 120, das passt. Runter vom Fahrpedal, jetzt rekuperiert der Transporter. Abt hat einen Mittelweg zwischen dahinsegeln und Einpedal-Fahren gewählt, die Verzögerung entspricht etwa der Motorbremswirkung beim Hinunterschalten. Wahlmöglichkeiten gibt es nicht, auch keine Fahrprogramme, dem Alltag von Transporterfahrern völlig angemessen.


Unter dem Bauch des Abt/VW ruhen gut verwahrt etwas mehr als 330 Kilo Batterien. Das senkt den Schwerpunkt, führt zu einer gleichmäßigen Gewichtsverteilung und zusammen mit dem passend konfektionierten VW-Fahrwerk zu einem fast samtigen und doch präzisen Fahrverhalten. Vor allem aber: kein heiseres Anlasserröcheln à la Raucherhusten mehr, kein kratziger TDI, stattdessen die leise Geschmeidigkeit des Vollelektrikers.


Der ist hier ein wenig anders angelegt als bei einem Werkswagen. Abt koppelt einen Bosch-Synchronmotor mit dem DSG-Getriebe, nutzt davon die ersten drei Gänge. Das verleiht dem VW zunächst mehr Temperament, vor allem aber ermöglicht die kurze Übersetzung der ersten Stufe von 18:1 eine Anhängelast bis 1,5 Tonnen. Das ist für E-Transporter herausragend, indes eingeschränkt auf 3,8 Tonnen Zuggesamtgewicht. Beim Be-schleunigen ist vom Gangwechsel wenig zu spüren, beim Verzögern bemerken Feinfühlige einen leichten Ruck von Gang drei nach zwei, geschenkt. Aus dem Regal des VW-Konzerns stammen Ladegerät und Lademanager, Hochvoltheizer und Klimakompressor. Das Steuergerät liefert Schaeffler zu, die eigene Abt-Software darin überspielt die weiterhin vorhandene VW-Steuerung. Ob ESP oder andere Assistenzsysteme, alles funktioniert auch weiterhin.


Mit seiner Elektrifizierung nimmt der VW 174 Kilo zu, Käufer können zwischen 2,8 und 3,2 Tonnen Gesamtmasse wählen, das macht im Bestfall gut eine Tonne Nutzlast. Zum Gewicht der Batterien gesellt sich der Stahlrahmen für die Aufhängung mit 42 Kilo, er ist mit 80 Nieten am Unterbau befestigt. Eine stählerne Wanne schützt die Batterien ebenso vor Beschädigung wie seitliche Längsträger, das ha-ben Crashtests gezeigt. Die Bodenfreiheit ändert sich durch den Antriebswechsel nicht, wohl aber der Rampenwinkel. Also Obacht bei steilen Einfahrten. Der Batteriesatz wirkt recht schlank, ist mit brutto 37,3 kWh nicht eben üppig. Nutzbar da-von sind 32,5 kWh. Eine anfangs überlegte Variante mit doppelter Kapazität wird es wohl nicht geben. Auch beschränkt sich Abt auf den T6.1 mit langem Rad-stand.


Abt nennt für den Kastenwagen einen Verbrauch nach der realistischen WLTP-Norm zwischen etwa 27 und 35,5 kWh/100 km. Gut also, dass ein Display präzise Informationen zu Verbrauch und Reichweite liefert. Nach der ersten längeren Proberunde, abwechslungsreich zusammengesetzt aus Kurz- und Überlandtour mit einem Spritzer Autobahn zeigt das Display trotz hart arbeitender Klimaanlage einen Schnittverbrauch von 25,7 kWh. Geladen wird an der Wallbox mit 7,2 kW, bei Gleichstrom dürfen es kräftige 50 kW sein.


Der eine kommt, der andere geht: Die kurze Karriere des Abt E-Caddy ist nach 1200 Einheiten zusammen mit dem Modellwechsel bei VW bereits wieder beendet – eine Elektrifizierung des neuen Caddy ist seitens VW nicht vorgesehen. Das Projekt Abt E-Transporter T6.1 ist zunächst bis Ende 2021 angelegt und soll deutlich höhere Stückzahlen erreichen. Im Hintergrund reifen bei Abt bereits die nächsten Pläne heran, da ist von Wasserstoff die Rede, von Batteriesätzen mit 55 und 85 kWh und der VW-Elektroplattform MEB. Das klingt nach Zukunft. Und der Kontrast zum aufgepusteten TDI von Abt könnte kaum größer sein.


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