Opel Movano - was der Stellantis unter dem Opel-Blitz kann – und was nicht.
Einsteigen, den klassischen Zündschlüssel einstecken, den Diesel starten. Erster Blick auf die Instrumente: Der Opel Movano prognostiziert gut 1.000 km Reichweite. Es folgt die Fahrt zur Waage. Trotz guter Ausstattung im Cockpit und einem stabilen Boden sowie Seitenverkleidungen im Laderaum zeigt die Digitalanzeige des 3,5-Tonners lediglich 2,22 t an. Macht knapp 1,3 t Nutzlast für Fahrer und Fracht. Also auf zum freundlichen Baustoffhändler und hinein ins Heck mit einer kompletten Palette mit 42 Packen Schnellbeton, im Zaum gehalten von kräftigen Zurrgurten. Vorn nimmt der ebenfalls nicht ganz zart gebaute Fahrer Platz.
Den Opel irritiert das alles wenig. Er fährt in der stämmigen Ausführung 35 Plus vor. Das bedeutet im Unterschied zum gewöhnlichen 3,5-Tonner – er taucht in Österreich gar nicht erst in der Preisliste auf – verstärkte Federn. Ergebnis sind vorn 2,1 und hinten 2,4 t maximale Achslast und 3,0 statt 2,5 t Anhängelast. Leer steht der Apparat angesichts dieser Reserven hinten prompt recht hoch, unter voller Last knickt er nicht ein. Die Kehrseite: Ohne Fracht an Bord markiert der Opel den harten Hund. Der will nicht nur spielen, der beißt auch. Steckt viel ein und teilt kräftig aus. Tanzt auf kurzen Bodenwellen keinen eleganten Walzer, sondern temperamentvollen Rock’n’Roll. Teilt einem den Straßenzustandsbericht so unerbittlich mit, dass der Fahrer ums Zahngold fürchtet. Wie sensibel abgestimmt ist dagegen die Lenkung. Sie arbeitet zielgenau, ist weder zu schlabbrig noch zu stramm – prima.
Die stramme Parabelfeder an der Hinterachse hievt die Ladekante auf 615 mm Höhe. Gut also, dass der Testwagen an den Ladeluken über kräftige Haltegriffe verfügt. Unten sind die Radkästen sorgfältig umbaut. Indes verstecken sich dann die hinteren Zurrpunkte. Oben glänzt der Opel mit einem kompakten Baldachin mit LED-Flutlicht. Recht optimistisch ist die Angabe von 11,5 m³ Laderaum: Abzuziehen sind die Radkästen und dezente Wölbungen von Wänden und Heck. Generell aber ist die Raumausnutzung hervorragend, Vorteil der kleinen Nase des großen Opel.
Der nicht so ganz opelig ist, wie es die schwarzglänzende Kunststoffblende vorn und zahlreiche Blitze als Markenzeichen an Front, Heck, den Abdeckungen der Radnaben und auch drinnen erscheinen lassen. Bei genauem Hinschauen tauchen italienische und französische Beschriftungen auf. Der Opel ist ein Stellantis wie die baugleichen Transporter von Citroën, Fiat und Peugeot. Sie fahren im praktisch unveränderten Karosseriekleid bereits seit dem Jahr 2006. Deshalb zählt der Movano mit seinem grau-metallischen Lack in jeder Hinsicht zu den Silberrücken. Damals war Opel von den heutigen Markenkollegen so weit entfernt wie die Erde von der Sonne und in Sachen Transportern erst ein paar Jahre mit Renault verheiratet. Seit der Geburt des großen Transporters scheppern die Türen des Fahrerhauses ins Schloss, wirkt manches Blech in den Ecken des Frachtraums überschaubar ambitioniert eingesetzt. Das alles spart Gewicht, Geld. Angesichts verdeckt verlegter Kabel sind wichtige Dinge richtig gemacht.
Wie auch im Fahrerhaus. Stimmt, die Sitzposition wirkt speziell für große Fahrer immer noch unglücklich froschig, die Seiten der Sitzfläche drücken kräftig gebaute Steuerleute und die Längsverstellung ist für Riesen etwas knapp. Weil das Lenkrad nur längs und nicht in der Höhe verstellbar ist, verdeckt sein Kranz einen Teil der Instrumente. Und die Streifen nackten Blechs an den Türen sind keine Augenweide. Ebenso wenig wie der Blick unter den Beifahrer-Doppelsitz, wo Wettbewerber teils geräumige Sitztruhen montieren. Der Beifahrerplatz aber ist recht bequem. Und die Lehne des Mittelsitzes entpuppt sich mit seinem herausklappbaren Schwenktisch plus Ablagen als wahrer Zauberkasten.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die renovierte Armaturentafel. Als Bestandteil eines Zusatzpakets bringt der Movano volldigitale Instrumente mit. Sie sind programmierbar und mit der attraktivsten Darstellung des großen roten Rundtachos plus Digitalanzeige mittendrin sehr ansehnlich. Wäre da nicht der verkorkste Drehzahlmesser, der seine digitalen Striche nur in 500er-Schritten anzeigt. Was Ablesbarkeit betrifft, haben die schlichten, aber klaren Serieninstrumente deutliche Vorzüge.
Opel liefert die Digi-Instrumente in Verbindung mit einem großen mittigen Monitor. Der ist mit seinen perfekt ablesbaren Klarschrift-Anzeigen eine Augenweide und lädt schon deshalb zu intensiverer Beschäftigung ein. Mit dem erfreulichen Ergebnis, dass sich Assistenzsysteme im Movano sowohl ein- und ausschalten als auch in ihrer Intensität regeln lassen, einschließlich akustischer Warnungen. Das macht das Leben an Bord angenehmer als in manchem Wettbewerber, zumal wie im richtigen Leben nicht jeder Assistent seine Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllt. So drängt der aktive Spurhalteassistent den Opel bei schmalen Landstraßen ohne Mittelstreifen in Richtung Gegenverkehr. Ein sattsam bekanntes und leidiges Thema vor allem breiter Transporter. Und dem Verkehrszeichenassistenten könnte man eine Brille empfehlen, da er zeitliche Einschränkungen von Tempobegrenzungen nicht erkennt.
Unten in der Mittelkonsole ist Platz für Stecker in gleich drei Formaten. In der Nähe lassen sich ohne Herumsuchen und gefährliches Gefummel in versteckten Menüs die Grundfunktionen der Klimatisierung mit Tasten einstellen, ebenso die Lautstärke des Audiosystems per Drehregler. Hinzu kommt die simple Bedienung des Radios über Tasten auf der Rückseite der Lenkradspeichen.
Die Lautstärke an Bord ist eine Sache für sich, nicht nur im unfairen Vergleich mit E-Transportern. Sagt doch der 2,2-Liter recht deutlich seine Meinung. In der mittleren Leistungsstufe von 103 kW (140 PS) und 350 Nm Drehmoment gibt er den Allrounder. So wedelt der Movano mit seinen kompakten Maßen munter durch Stadt und Land und über Autobahnen. Erst auf langen Steigungen geht ihm die Puste aus. Die Maschine fühlt sich vor allem bei mittleren Drehzahlen wohl, wirkt tief unten etwas matt, oben zugeschnürt. Das heißt häufig schalten, beim Testwagen im Unterschied zu früheren Testwagen der Stellantis-Baureihe eine etwas zähe Angelegenheit, unterstrichen durch eine recht sprunghafte Kupplung.
Belohnt wird der Fahrer mit einem exzellenten Verbrauch. Vollgepackt gibt sich der 3,5-Tonner bei achtsamer Fahrweise auf Kurzstrecken mit weniger als 8 l/100 km zufrieden. Im Überlandbetrieb ist es nur wenig mehr und auf gelassen absolvierter Autobahnetappe sind es knapp über 9 l. Auch der Schnittverbrauch in Full flight von 12,6 l auf einer deutschen Autobahn ist angesichts des beachtlichen Transporterformats ein guter Wert. Der Bordrechner zeigt den Konsum auch farbig an, das erinnert an den Bandtacho im Opel Rekord aus den frühen Sechzigern. Insgesamt landete der Opel bei lediglich 8,8 l/100 km – ein herausragend guter Wert für einen beladenen 3,5-Tonner. Ergebnis ist dank des 90 l-Tanks die eingangs genannte riesige Reichweite. Movano-Fahrer bunkern Energie, wenn sie wollen, nicht wenn sie müssen.
Beim Movano und seinen Geschwistern zahlt sich ganz offensichtlich die verbesserte Aerodynamik aus. Sie wird an der nun weitgehend geschlossenen Front sichtbar – der die Trittstufen zum Scheibenreinigen zum Opfer gefallen sind. Eine Kühlerjalousie soll die Windschlüpfrigkeit ebenso verbessern wie die geriffelten Gehäuse der großen Außenspiegel.
Unter dem Strich beweist sich der Opel Movano als Klassiker der Moderne. Ohne den Premium- und Perfektions-Anspruch anderer und teurerer Fabrikate, aber mit zahlreichen praktischen Vorzügen vor allem unter der Motorhaube und im Laderaum mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und Alltagsbetrieb. Potztausend.
Fahrleistungen und Messwerte
Höchstgeschwindigkeit: 153 km/h
Innengeräusche:
Stand/50/100 km/h: 47/63/71 dB(A)
Höchstgeschwindigkeit: 74 dB(A)
Kraftstoffverbrauch:
Normverbrauch WLTP kombiniert: 7,5–9,1 l/100 km
CO2-Emission kombiniert: 198–239 g/km
Teststrecke beladen: 8,8 l/100 km
Testverbrauch min./max.: 7,3–12,6 l/100 km
Testverbrauch Adblue: 0,18 l/100 km
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