Kleiner Van ganz groß
- Blickpunkt TRANSPORTER
- vor 6 Tagen
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Kompakt und vollelektrisch angetrieben – der neue Ford E-Transit Courier.

Eigenständiger Chromgrill, darüber ein Leuchtstreifen – der E-Transit Courier trägt seine bullige Nase hoch und blickt und blinkt selbstbewusst in die Transporterwelt. Der kleine Ford lässt mit seiner knuffigen Karosserie die Herzen schmelzen. Ist der süüüß – aber viel mehr als das.
Unter der Motorhaube steckt eine E-Maschine mit 100 kW Leistung und 290 Nm. Das macht sich in einem strammen, wenn auch nicht überschäumenden Antritt bemerkbar. Zugabe ist eine beachtliche Höchstgeschwindigkeit von 145 Sachen. Mehr als genug für einen Stromer im gewerblichen Einsatz und mit Blick auf die Reichweite mit Bedacht einzusetzen, sofern überhaupt erlaubt. Nach Art des Hauses arbeitet die E-Maschine leise und ohne vernehmbares Pfeifen. Den gepflegten Eindruck stört allenfalls die Rekuperation, sie wirkt in der stärkeren von zwei Stufen etwas ruppig.
Aufgepasst: In der Preisliste spricht Ford von einer Batterie mit 54 kWh. Doch das ist die inzwischen nicht mehr übliche, weil irreführende Brutto-Angabe. Tatsächlich sitzt unter dem Wagenboden ein Akku mit einer nutzbaren Kapazität von 43 kWh. Das reicht nicht für ganz große Sprünge, aber einschließlich Reserven für rund 200 km selbst unter ungünstigen Bedingungen, laut WLTP sogar für rund 300 km. Geladen wird mit 11 kW an der Wallbox, am besten im Betrieb über Nacht. Oder mit maximal 100 kW an der Schnellladesäule unterwegs.
Der Courier basiert auf der Plattform des Kompakt-SUV Ford Puma. Das bedeutet dank schraubengefederter Verbundlenker-Hinterachse ein angenehm federndes Fahrwerk. Jedenfalls mit Ballast im Heck – hier sind es 240 kg – und einer kräftig gebauten zweiköpfigen Besatzung im Fahrerhaus. Dazu huscht der Ford flink und wendig um die Ecken. Auf deftigen Bodenwellen federt der Courier kräftig durch, da werden seine sanften Pkw-Gene deutlich. Auch arbeitet die elektromechanische Lenkung etwas zickig-unsensibel. Beides bemerken aber nur sensible Gemüter.
Im Vergleich zum Verbrenner setzt der Stromer im Cockpit klare Zeichen. Da wären andere Instrumente, zwar ebenfalls unter Designaspekten gestaltet, aber deutlich funktioneller. In der Mitte der Armaturentafel ragt nun ein deutlich größerer Bildschirm im Format 12" auf. Unten bietet er eine Menüleiste für die schnelle und zielgerichtete Einstellung der Klimatisierung, beim Verbrenner dagegen versteckt Ford dies höchst unübersichtlich im Menü. Die Handbremse ist elektronisch und der Start schlüssellos, das nimmt man gerne mit. Dann wäre da noch das angedeutet quadratische Lenkrad in Stil des großen Bruders E-Transit Custom. Bei der Materialqualität der Einrichtung haben die Kosten Priorität vor Schönheit. Für den rauen gewerblichen Einsatz und angesichts der preisempfindlichen Region kein Fehler.
Abmessungen und 2,9 m³ Volumen des Frachtraums sind identisch mit dem Verbrenner. Der feine Unterschied: Der kompakte E-Antrieb schafft den Raum für einen kleinen Frontkofferraum, bei E-Mobilen gerne als „Frunk“ bezeichnet. Angesichts von 44 l Volumen kommen hier das Ladekabel oder ein Erste-Hilfe-Päckchen aufgeräumt und gut zugänglich unter einem Deckel unter.
Aufgrund des gewichtigen Batteriepakets lohnt ein Blick auf die Gewichtsbilanz. Als Lebendgewicht gibt Ford rund 1,5 t an, rund 200 kg mehr als beim Verbrenner. Da Ford die zulässige Gesamtmasse auf 2,25 t erhöht, ergibt dies gut 700 kg für Fracht und Fahrer, das ist reichlich. Die Anhängelast ist auf 750 kg beschränkt.
Viel Lieferwagen fürs Geld, so könnte das Motto des Ford Transit Courier lauten. Und der Elektriker? In der nahezu unvermeidlichen mittleren Ausstattungsvariante namens Trend mit Schiebetür, Radio, Rückfahrkamera oder Parkpiepsern vorn sowie vergleichbarer Motorisierung und Automatikgetriebe steht der Transit Courier als Benziner mit netto 21.125 Euro in der Liste, die E-Ausführung mit 29.500 Euro. Das entspricht einem deftigen Mehrpreis von gut 8.000 Euro oder – zunächst erschreckend – rund 40 %. Fairerweise muss zum Vergleich die umfangreichere Ausstattung mit Aluminiumrädern und allerlei elektronischen Helfern berücksichtigt werden, schon reduziert sich die anfängliche Differenz. Ford geht außerdem von deutlich niedrigeren Wartungskosten aus – ein teurer Ölwechsel zB entfällt. Dazu lässt sich noch ein Treibstoffverbrauch von etwa 8 l/100 km Benzin gegen rund 18 kWh Strom rechnen, vorzugsweise mit günstigem Bezug aus der firmeneigenen Wallbox.
Davon abgesehen steht Ford wie andere Transporterhersteller unter Druck. Zwar hat die EU das Inkrafttreten strengerer Grenzwerte für CO2-Emissionen einschließlich deftiger Strafzahlungen etwas abgemildert. Trotzdem können die Transporterleute von Ford dies aller Voraussicht nach nur mit einem Anteil von jeweils 10 % vollelektrischen Transportern und Plug-in-Hybriden ihrer Transit-Flotte erfüllen. Das erhöht den Druck auf den Vertrieb und könnte auch andere Herzen schmelzen lassen: jene der Verkäufer während der Verhandlungen.
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