Test MAN TGE. Kipper mit weniger Kilos und neuem Cockpit.

Plötzlich hebt auf der Gegenspur der Fahrer des Minibaggers freundlich grüßend die Hand. Kleiner Bagger grüßt kleinen Kipper. Fährt hier doch ein schlanker MAN TGE vor, mal nicht als Kastenwagen, sondern als Kipper. Das passt zu MAN, schlägt in der Lkw-Marke doch ein Herz für Aufbauten, bekanntlich sogar kräftiger als beim Zwillingsbruder von VW.
Und was heißt schon kleiner Kipper, wenn der Aufbau von MEILLER stammt, bekannt für unverwüstliche Stabilbauweise. Aber daher auch für Gewicht. Deshalb hat MEILLER seine Transporter-Kippbrücke auf Diät gesetzt und sich mit der noch jungen Baureihe Trigenius D202 eine Baureihe speziell für 3,5-Tonner einfallen lassen. Das Ergebnis ist jedoch beileibe keine Hungerharke. Da wäre als Boden ein Stahlblech der Härte HBW 450 mit 1,5 mm Stärke, nun verschweißt per Laser. Der Hilfsrahmen ist gelocht, wie der gesamte Unterbau der Kippbrücke. Alles spart Gewicht. MEILLER nennt für den 3,4 m langen Aufbau des TGE exakt 582 kg, beachtliche 20 % oder 148 kg weniger als der Vorgänger.

Leichtbau ist jedoch nicht alles für hart arbeitende Kipper. Die wuchtigen Bordwände sind im Rahmen der Operation um 50 mm auf 400 mm gewachsen. Das erhöht zwar ihre Masse, aber auch das Ladevolumen. Alles ist per KTL grundiert gegen Rostfraß, das hat Automobilniveau. Aufmerksamkeit verdienen Details wie die einfach zu bedienenden Steckstifte oder die selbstnachstellenden Bordwandverschlüsse. Bereits deren Optik macht Hightech und Haltbarkeit deutlich. Kipper-Kenner schauen ebenfalls wohlwollend auf die Ladungssicherung. Da wären sechs Paar Zurrösen, bündig im Boden eingelassen à 2 t Haltekraft, weitere sechs Paare à 1 t auf den seitlichen Bordwänden. Dazu jeweils zwei Ösen an Stirnwand, heckseitiger Bordwand und in den hinteren Ecken. Beim Testwagen kamen ein Ablagegestell und verstellbare seitliche Zurrschienen mit einer Spannstange hinzu. Überhaupt Zubehör: Der gelochte Hilfsrahmen vereinfacht die Montage von Extras, etwa dem Stahlblech-Staukasten des Testwagens mit dicht schließender Gummilippe.
Dieser Testwagen trug seine Vorzüge auf der Kippbrücke zu Markte. Nur die dort angegebene Nutzlast von 950 kg verfehlte der rundum gut ausgestattete Test-TGE. Aber 880 kg inklusive Fahrer sind angesichts der stählernen Kippbrücke mit reichlich Zubehör und dem ebenfalls nicht ganz zarten TGE auch ein Wort.

Also Ballast rauf, verzurren und später wieder runter damit. Fix die kräftig gebauten Bordwände auf- und zuklappen, seitlich die stämmigen gummierten Auflagen entdecken. Nach hinten kippen, dabei auch mal pendeln. Umstecken und die Ladefläche zur Seite neigen. Alles ganz simpel per Tastendruck vorn in der Kabine, dank einer zweiten Batterie mit genug Strom und begleitet von etwas Getöse im Heck – Kipper im Stress.
Ebenso wie der TGE, den MAN für den fordernden Einsatz als Kipper vorrüstet. Das bedeutet hier maximal 2,1 t Achslast vorne, dazu verstärkte Stabis, beides kann die Fuhre gut gebrauchen. Auch eine Anhängerkupplung passt, der TGE darf schließlich 3 t ziehen. Doch Vorsicht, das zulässige Gesamtzuggewicht ist auf 6 t beschränkt. Nicht vergessen: Mit Vorderradantrieb zählt der TGE eher zur milden Sorte, ist nicht für die ganz harten Einsätze abseits der Straße gedacht.

Dazu passt der vergleichsweise feine TGE, in seiner Liga zweifellos Oberklasse. Mit geräumigem Fahrerhaus, gediegen ausgestattet und verarbeitet. Mit Haltegriffen zum Ein- und Aussteigen an den richtigen Positionen. Einem geradezu kuscheligen Sitz. Überzogen mit etwas schmutzempfindlichen und nicht perfekt passgenauen Bezügen. Aber mit dem Löwen als Markenemblem auf den Kopfstützen. Unübersehbar beim Einsteigen und bei jedem Blick in den Innenspiegel.
Dann wäre da das neue, vielfältig konfigurierbare Kombi-Instrument mit glutroten Armaturen bei Anstieg von Tempo und Drehzahl vor schwarzem Hintergrund. Die Ziffern vielleicht etwas klein, aber der Tacho reicht optimistisch bis 240 Sachen. Plus einem großflächigen neuen Monitor in der Mitte des Cockpits. In Optik und Bedienung auf aktuellem VW-Konzernniveau. Das heißt konfigurierbar mit Direktwahltasten. Nur mit der für Kipper angesichts staubiger Baustellen wichtigen Umluftschaltung klappte es beim Testwagen nicht, trotz Studium der dicken Betriebsanleitung – ja, so etwas gibt’s noch. Aber das kann ja noch werden. Hinzu kommen zeitgemäße Elemente wie schlüsselloser Start und elektronische Feststellbremse. Und, auch das kann nicht mehr jeder, ein Lenkrad mit richtigen Tasten. Nach wie vor fehlen jedoch praktische Drehregler für die Lautstärke des Radios und die Klimatisierung – moderne Zeiten. Das trifft auch für die inzwischen vorgeschriebenen Assistenzsysteme zu, mal ein Segen, mal auch betriebsblind und mit ständigem Gebimmel ein Ärgernis. Wer meint, sie per Einstellung im Monitor auf Dauer domestizieren zu können, der irrt: Nach dem nächsten Motorstart sind sie sämtlich in Geschwaderstärke wieder da und achten mit Argusaugen auf vermeintliche oder tatsächliche Missachtung von Regeln.

Wie sympathisch berechenbar sind im Vergleich dazu Antrieb und Fahrwerk des TGE. Unter der Motorhaube steckt der bekannte Zweiliter-TDI von VW in Nutzfahrzeug-Ausführung, hier homologiert als Heavy Duty. Das bedeutet in Verbindung mit der Leistungsvariante von 103 kW (140 PS) ein maximales Drehmoment von 360 Nm. Gut: Dank der VW-typisch drehfreudigen Maschine mit hoher Abregeldrehzahl von etwa 4.800 Touren lässt sich der Kipper trotz kurz gestuftem Anfahrgang auch bei heiklen Missionen mit niedrigem Tempo schaltfrei souverän bewegen. Auch zeigt die Maschine im Bereich des maximalen Drehmoments Biss und Antrittsstärke. Jedoch verlangt der Motor nach Drehzahl, bei Tourenzahlen unter etwa 1.500/min knickt er ein und reagiert nur noch lethargisch. Das bedeutet fleißiges Schalten des gut gestuften Sechsganggetriebes. Nach oben hinaus ist dessen Gesamtübersetzung transportertypisch gewählt, die Maschine dreht bei 100 Sachen rund 2.000 Touren. Bei 135 km/h ist dann Schluss, für einen Kipper kein Handicap.
Entsprechend dem Einsatzgebiet entfiel bei der ausgiebigen Redaktions-Verbrauchsfahrt die Autobahnetappe. Mit einem Schnitt von 10,1 l/100 km schlug sich der beladene Kipper dabei sehr wacker, vor allem angesichts der von Haus aus zwangsläufig mäßigen Aerodynamik des offenen Aufbaus und des Ablagegestells. Das bedeutet dank 75 l-Tank eine große Reichweite. Eine Probe ergab: Wer den MAN wenig artgerecht in vollem Galopp über die Autobahn treibt, muss mit 14 l rechnen.
Als durchaus tempofest entpuppt sich das Fahrwerk des MAN. Mit seinem höheren Schwerpunkt als beim Kastenwagen ist der Kipper kein Kurvenstar, aber im Bedarfsfall auch mit einer gewichtigen Palette auf dem Buckel zügig und sicher unterwegs. Dabei benimmt er sich leer wie beladen überraschend komfortabel. Harsch reagiert das Fahrwerk trotz erhöhter Vorderachslast und Parabelfeder plus Stützblattfeder hinten nur auf üble kurze Bodenunebenheiten. Alles andere filtert der MAN souverän weg. So bleibt genügend Konzentration und Kondition, um den entgegenkommenden Baggerführer im Kleingerät ebenso freundlich zu grüßen.
Fahrleistungen und Messwerte
Beschleunigung:
0–50 km/h 4,9 s
0–80 km/h 10,6 s
0–100 km/h 15,8 s
Elastizität:
60–80 km/h (IV/V) 4,7/6,1 s
60–100 km/h (IV/V) 10,1/12,3 s
80–120 km/h (VI) 24,1 s
Höchstgeschwindigkeit: 135 km/h
Innengeräusche:
Stand/50/100 km/h: 47/57/68 dB(A)
Höchstgeschwindigkeit: 69 dB(A)
Kraftstoffverbrauch:
Normverbrauch WLTP kombiniert: 9,7 l/100 km
CO2-Emission kombiniert: 256 g/km
Teststrecke beladen: 10,1 l/100 km
Testverbrauch min./max. 8,4–11,4 l/100 km
Testverbrauch Adblue: 0,36 l/100 km
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